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Banteay Srei Conservation Project – Parvis

Banteay Srei
Heiligtum von Banteay Srei, zentraler Bereich

Die Tempelanlage von Banteay Srei liegt etwa 20 km nordöstlich der Ruinen von Angkor Wat und Angkor Thom in Kambodscha. Es handelt sich um ein ländliches Heiligtum, das nach den dort angebrachten Sanskrit-Inschriften nicht auf direkte königliche Entscheidung, sondern durch einen hohen Funktionär errichtet wurde; die Weihung der Anlage fällt ins Jahr 967 n. Chr.

Wiederentdeckung und
ältere Forschung

Wie viele andere Anlagen geriet Banteay Srei nach dem Ende des Khmer-Reiches in Vergessenheit, verfiel und war stark von Dschungel-Vegetation überwachsen. Erst ab 1914 wurde Banteay Srei wieder Gegenstand westlichen Interesses, nachdem ein französischer Offizier bei Vermessungsarbeiten auf den Tempel aufmerksam geworden war. Die moderne Erforschung begann und brachte schon 1919 die erste Untersuchung hervor, gefolgt von weiteren substantiellen archäologischen und restauratorischen Arbeiten bis 1936, als wichtige Teile des Tempelbezirks konserviert und teils wieder aufgerichtet wurden. Nach dem damaligen Stand der Technik kam dabei in größerem Umfang Zement zum Einsatz. Die wissenschaftliche Untersuchung an Ort und Stelle ruhte in den folgenden Jahrzehnten, nicht zuletzt zwangsweise während des jahrzehntelangen Bürgerkriegs in Kambodscha. Banteay Srei lag in Richtung der letzten Rückzugsgebiete der Khmer Rouge und ihrer Nachfolger bei Anlong Veng und war dementsprechend noch lange unzugänglich.

Banteay Srei Conservation Project

Nach der Stabilisierung der politischen Verhältnisse und mit der langsamen touristischen Erschließung der vielen attraktiven Regionen des Landes hat sich ab 1996 die schweizerische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) der Anlage von Banteay Srei angenommen.

Banteay Srei
Besucherlenkung im Inneren der Anlage

In den ersten Jahren des Projekts ab 2002 waren vor allem konservatorische Maßnahmen notwendig, denn die Beseitigung der Dschungelvegetation und Bäume beim Freilegen der Anlage führte in Verbindung mit den hohen und stark schwankenden Grundwasserständen zu ungleichmäßigen Bodenverwerfungen und Senkungen. Der Umgang mit dem saisonal immens schwankenden Wasseraufkommen war seit angkorianischer Zeit eine der Hauptherausforderungen in der sehr flachen Gegend zwischen dem nordöstlichen Hügelland Phnom Kulen und dem wichtigsten Binnensee des Landes, dem Tonle Sap, denn die Kontrolle des Wasserangebots erlaubte einerseits gezielte Bewässerung und hervorragende landwirtschaftliche Nutzung der Gegend, andererseits war sie auch dringend notwendig, um Schäden oder starke Behinderung durch regelmäßige Hochwasser zu vermeiden. Speziell in Wechselwirkung mit den baulichen Restaurierungen des frühen 20. Jhs. drohten für Banteay Srei erhebliche Schäden, denen ein durchdachtes Wassermanagement entgegenwirkt.

Während diese Projektarbeiten umgesetzt wurden, stellte sich als noch größere und vor allem immer weiter zunehmende Herausforderung heraus, dass der Tourismus in Kambodscha sehr stark zunahm. Nun ist aber der Kernbereich des Tempels in Banteay Srei besonders klein, denn die Architektur des flachen, auf einer Insel angelegten Heiligtums ist – vermutlich nicht nur wegen der ländlichen Lage, sondern auch wegen des Bauherrn, der keinesfalls den herrscherlichen Bauten Konkurrenz machen durfte – in allen Dimensionen reduziert: die absoluten Maße der Gesamtanlage sind begrenzt, und auch Türdurchgänge, Türme usw. fallen teils kleiner aus als üblich. Diese Beschränkung ist aber mehr als kompensiert durch den üppigen und in hervorragender Qualität in rotem Sandstein ausgeführten Bauschmuck, weshalb die Anlage in kaum einem touristischen Programm ausgelassen wird. So treffen immer mehr Touristen auf eine eng umgrenzte Anlage, die seit den älteren Erschließungsmaßnahmen außerdem nur durch ihren Haupteingang betreten und verlassen wurde, obwohl eigentlich ein rückwärtiger Zugang vorhanden war.

Projektphase Parvis

Aus diesen Feststellungen wurde das Nachfolgeprojekt Banteay Srei Conservation Project – Parvis entwickelt, das als vorläufigen Abschluß des schweizerischen Engagements vorsah, die Anlage optimal auf die Bewältigung der hohen Besucherzahlen vorzubereiten, ohne dabei das Erlebnis für die Besucher zu schmälern. Nach Durchführung der Maßnahmen sollte die Betreuung der Anlage wieder allein in die Hände der kambodschanischen Antikenverwaltung gelegt werden, der allerdings der knappen Mittel wegen möglichst geringer ständiger Aufwand für den Unterhalt zugemutet werden sollte. Kern der Maßnahmen war die Etablierung eines geordneten Rundgangs durch das Gelände, der mit einer wissenschaftlichen Einführung in einem neu geschaffenen Site Museum beginnt und den Besucherstrom auch in der Tempelanlage entzerrt, indem Parkmöglichkeiten, Restaurants und Serviceeinrichtungen, Museum und die Wegführung durch den Tempel sinnvoll aufeinander abgestimmt wurden.

Notwendigkeit einer archäologischen Gesamtuntersuchung

Banteay Srei
Maßarbeit mit dem Bagger

Am Beginn der Umsetzungsphase ergab sich die Notwendigkeit – und aus wissenschaftlicher und meiner persönlichen Sicht die große Chance – zu umfangreichen feldarchäologischen Untersuchungen im Umfeld des Heiligtumsbezirks im engeren Sinn. Der Tempel von Banteay Srei ist wie erwähnt auf einer rechteckigen künstlichen Insel errichtet, die von einem breiten Wassergraben und einer Umfassungsmauer umschlossen wird. Der Hauptzugang erfolgt entlang der Achse von Osten her, und auf dieser Seite ist dem Ensemble noch eine längere, von Bauten gesäumte und gepflasterte Zugangsstraße vorgelagert. Auch befinden sich etwas zurückgesetzt in diesem Bereich große Nebenbauten („long rooms“). Diese Hauptachse des Heiligtums läuft auf einen als Landmarke weithin sichtbaren Hügel (Phnom Dei) zu, muss aber, bevor sie diesen erreicht, auf die angkorianische Überlandstraße getroffen sein, die vielleicht im Bereich des Flusses (h. Siem Reap river) verlaufen ist und jedenfalls von Angkor kommend die Verbindung zum als Verkehrsverbindung bedeutenden Durchgang durch die Phnom-Kulen-Kette bei Kbal Spean herstellte.

Die Neugestaltung betraf vorwiegend das entlang dieser Achse dem Heiligtum östlich vorgelagerte Gelände, auf dem deswegen das Hauptinteresse der archäologischen Untersuchung lag. Passenderweise war die Zone entlang des Hauptzugangsweges auch hinsichtlich älterer Funde und Ruinen am vielversprechendsten, und hier konnte am ehesten mit Aufschlüssen über die sonstige Gestaltung des Tempelumfelds gerechnet werden, was neben eventuellen Gebäuden vor allem die Wasserbauten betrifft. Nördlich der Hauptachse liegt das grösste Speicherbecken von Banteay Srei, das zwar von Sedimentation beeinträchtigt, aber auch heute noch in Verwendung ist. Bei weiteren Mulden mit jahreszeitlichen kleinen Seen stellte sich die Frage, ob es sich ebenfalls um künstliche Becken handelt.

Diagnostische archäologische Kampagne 2007/2008

Die archäologischen Arbeiten wurden 2007/2008 über einen Zeitraum von rund 9 Wochen durchgeführt, eine längere wissenschaftliche Auswertungsphase folgte wieder in der Schweiz bzw. in Deutschland. Dem kompakten Team von vier wissenschaftlichen Kräften aus Europa standen mehrere Kolleginnen und Kollegen von der Autorité APSARA und aus dem Projektbüro in Siem Reap sowie eine große Arbeiterschar zur Seite. Nur das in fachlicher wie menschlicher Hinsicht großartige Zusammenwirken hat den erfolgreichen Abschluß des ambitionierten Vorhabens möglich gemacht. Für eine umfassende archäologische Einschätzung der Situation wurden verschiedene Methoden kombiniert eingesetzt. Über das gesamte Areal kamen die geomagnetische und geoelektrische Prospektion zum Einsatz. Beides sind nichtinvasive bildgebende Verfahren, mit denen größere Strukturen im Untergrund ohne Ausgrabung festgestellt werden können. Auf Teilflächen bzw. in einigen Langschnitten konnten diese Verfahren um eine Begutachtung mit Bodenradar ergänzt werden. Bodenradar (GPR) ist vergleichsweise hochauflösend, aber auch deutlich zeitaufwändiger im Einsatz. Alle Methoden haben zudem spezifische Stärken und Schwächen, was Störfaktoren und die Erfassung bestimmter Materialien angeht. Alle Prospektionsverfahren können nur Anomalien feststellen, also Variationen im Untergrund, doch können die Ergebnisse in der Regel ohne weitergehende archäologische Informationen nicht sicher gedeutet werden. Deshalb war es geboten, ebenfalls auf dem gesamten Gelände eine herkömmliche Begehung durchzuführen, die oberflächliches Fundmaterial und besonders Hinweise auf Steinbauten dokumentierte.

Banteay Srei
Profildokumentation in einem der diagnostischen Schnitte

Die vorab und während der Kampagne als besonders aufschlussreich erkannten Bereiche wurden schließlich durch sehr umfangreiche diagnostische Grabungsschnitte untersucht. Um die nötigen Erdbewegungen zu bewältigen, kam ein größerer Bagger zum Einsatz, der über eine Schaufelbreite in der gewünschten Schnittbreite von 2 m verfügte. Der überwachte Baggeraushub wurde jeweils unterbrochen und in Handarbeit fortgesetzt, wenn Verfärbungen oder andere Hinweise archäologisch relevante Befunde vermuten ließen. Dabei kamen die über dreißig aus den umliegenden Dörfern angeworbenen Arbeiter zum Einsatz, die außerdem nach Einweisung einfachere Dokumentationsschritte selbständig übernehmen oder beispielsweise die Vermessung unterstützen konnten. Dadurch mussten bei der Qualität der Dokumentation keine Abstriche gemacht werden, und gleichzeitig war in fundarmen oder fundleeren Bereichen rascher Fortschritt der groß angelegten Arbeiten möglich. Alle vorgesehenen diagnostischen Schnitte konnten dadurch erfolgreich bis in tiefe Schichten geführt werden, in denen keine Anzeichen mehr für menschliche Eingriffe oder Präsenz festzustellen waren.

Auswertung und Publikation

Nach Abschluß der archäologischen Dokumentation wurden die Schnitte nach einer Kennzeichnung der Untergrenze durch Markierungsschichten wieder verfüllt. Für das Projektbüro in Siem Reap war anschließend vorrangig eine Zoneneinteilung für die architektonische Ausführungsplanung zu erstellen, denn der konkrete Anlass für die Kampagne war ja die Vorbereitung der Neubauten von Museum und Wegen gewesen. Doch auch die im Lauf der Arbeiten gemachten wissenschaftlichen Beobachtungen waren so umfangreich, dass eine angemessene Fachveröffentlichung zwingend notwendig schien. Nach intensiver Aufarbeitung der Dokumentation konnten die wesentlichen Erkenntnisse zur Gesamtanlage von Banteay Srei und zur Bedeutung des Platzes im regionalen Netz von Orten und Wegen in einem größeren Aufsatz vorgelegt werden, dessen Hauptteil ich mit R. Arndt abgefasst habe, der die Arbeiten auch vorbereitet und geleitet hat. Kurze Beiträge zu den Ergebnissen der drei eingesetzten technischen Prospektionsmethoden stammen von den drei jeweils verantwortlichen Kollegen.

  • Robert C. Arndt – Simon Hoffmann. With contributions by Manuel Buess, Bruno Gerber and Till Sonnemann:
    Looking beyond a temple. Archaeological diagnosis at Banteay Srei, Cambodia, 2007/08.
    In: Zeitschrift für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 4 (2011): 27–101

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